Bindungsangst – 2. Wie ich „Knallfrösche“ erkenne

Bindungsangst

Warum Knallfrösche mit Bindungsangst immer bei mir landen?

Zunächst sollten wir klären, was ich eigentlich unter einem „Knallfrosch“ verstehe. Ein Knallfrosch – und hier ist das Geschlecht völlig egal – ist die perfekte Mischung aus Verbindlichkeits-Allergie und Fluchtinstinkt, sobald Erwartungen ins Spiel kommen. Diese Eigenschaften führen unweigerlich zu einer Beziehung, die am Ende immer mit einem Knall endet.

Für den Knallfrosch ist es nämlich essenziell, regelmäßig Distanz zu schaffen, sobald die Nähe unerträglich wird. Und das passiert schnell, vor allem wenn die Beziehung Anzeichen von Verlässlichkeit zeigt. Ja, richtig gelesen: Verlässlichkeit ist gefährlich! Deswegen hat Wolke 7 für Knallfrösche immer einen tiefen See dabei, in den sie nach Belieben abtauchen können. Am Ufer wartet dann der Partner – einer, der das Potenzial dieses „Beziehungsprojekts“ offenbar erkannt hat – geduldig, bis der Knallfrosch irgendwann wieder auftaucht.

Solch eine Paarung ist toxisch und hat enormes Suchtpotenzial. Zumindest für einen der beiden. Der Glaube, dass die Partnerschaft „so viel Potenzial“ hat und nur ein paar Dinge geändert werden müssten, um alles perfekt zu machen, kann jahrelang aufrechterhalten werden – oder auch nach einer Nacht verpuffen. Ganz wie’s beliebt.

Warum Suchtpotenzial? Weil wir emotional an dieser Aufgabe kleben wie Fliegen am Honig. Wir investieren unsere gesamte Energie in den Versuch, diese Beziehung zum Laufen zu bringen, und überfahren dabei alle roten Ampeln, die uns sagen: „Halt!“. Wir vergessen unser eigenes Leben, unsere Wünsche, unsere Bedürfnisse – schließlich können wir uns um all das kümmern, sobald die perfekte Beziehung steht, oder?

Selbst der Kontrollverlust fühlt sich irgendwie kontrollierbar an. Aber was wir nicht merken: Unser Gegenüber mag vielleicht manches zulassen, aber bestimmt keine Kontrolle über sich. Er oder sie dominiert das Spielfeld und hat keine Lust, Erwartungen zu erfüllen, die ihn oder sie in eine dauerhafte Verbindlichkeit zwingen.

Das Tauziehen beginnt.

Und jetzt kommt die große Frage: Warum kannst du so gut aushalten? Wo hast du gelernt, nicht aufzugeben und immer zu hoffen? Und was wäre passiert, wenn es keine Hoffnung mehr gegeben hätte?

Der Kontrollverlust löst den Klammereffekt aus, und das wiederum löst beim Bindungsängstlichen den Fluchtreflex aus. Das Dilemma nimmt seinen Lauf.

Und was sollte man tun? Ganz „einfach“: Den Versuch abbrechen und die Kontrolle über das eigene Leben zurückgewinnen. Das klingt leicht – wäre da nicht das Potenzial und diese verflixte Suchtkomponente.

Bindungsangst – Das On/Off-Verhältnis – Verliebtheit mit Turbulenzen

Ein On/Off-Verhältnis hat definitiv viel Verliebtheitspotenzial. Wir spüren uns so richtig intensiv. Die Glücksgefühle und Ängste wechseln sich ständig ab und tanzen wild auf unserem Nervensystem herum. Wir fühlen uns lebendig, als hätten wir den ultimativen Adrenalinkick gefunden – und übersehen dabei, wie kräftezehrend das Ganze eigentlich ist. Aber hey, das „Potenzial“ der Beziehung bleibt immer in Sichtweite. Es könnte ja doch klappen, oder?

Aber auch der Knallfrosch ist in seiner eigenen Zwickmühle gefangen. Die Bindungsangst lässt ihn nicht los. Nicht selten gehen solche Partner fremd, um Distanz zu schaffen. Es ist ihre Art, sich selbst zu versichern, dass die Situation nicht so gefährlich eng und verbindlich ist. „Puh, ich bin ja noch frei!“ denken sie, und danach können sie sich wieder ein paar Tage der Nähe hingeben. Bis zum nächsten Fluchtversuch.

Manche Menschen leben ihre Bindungsangst nicht ständig aus, sondern nur in bestimmten Momenten: der erste gemeinsame Urlaub, das Kennenlernen der Freunde, Zusammenziehen, die große Premiere beim den „Schwiegererltern“, oder – der Klassiker – die Verlobung oder die Hochzeit. Alles, was die Beziehung offiziell und „verbindlich“ macht, sorgt für inneres Chaos.

Und wer glaubt, der Bindungsängstliche könne das alles einfach sein lassen, der irrt. Auch der Knallfrosch möchte schließlich eine Beziehung. Wir alle sind soziale Wesen, die sich Liebe, Nähe und ein Zuhause wünschen.

Aber eben nicht zu nah, nicht zu lange, und bitte ohne zu viel Druck, danke!

Was kannst du tun, um Klarheit zu schaffen?

  1. Achte auf unpassende Muster: Ist nach einem romantischen Wochenende plötzlich das Telefon für drei Tage aus? Hm, da stimmt was nicht. Vergiss diese Ausreden wie „Ich wollte mich nicht aufdrängen“ oder „Ich dachte, du brauchst Zeit.“ Wenn jemand wirklich verliebt ist, klebt er am anderen – das ist einfach mal sicher.
  2. Prüfe deine Vermutungen: Wenn dir die Geschichte, die du serviert bekommst, komisch vorkommt, geh ihr nach. Wenn möglich, überprüfe die Informationen. Und falls du gefragt wirst, ob du „nachspionierst“: Na ja, sagen wir mal so – ein kleines Detektivspielchen ist erlaubt, wenn dein Bauchgefühl Alarm schlägt und es um deine emotionale Sicherheit geht. Ein Partner, der nichts zu verbergen hat, wird wohl locker damit umgehen und dich vielleicht sogar verstehen.
  3. Führe ein Tagebuch über deinen emotionalen Zustand: Wenn du merkst, dass diese toxische Beziehung all deine Energie aufsaugt und dein restliches Leben in einem dunklen Loch verschwindet, solltest du so schnell wie möglich die Kontrolle über dein eigenes Leben zurückgewinnen. Schreib auf, wie du dich fühlst, und achte auf wiederkehrende Muster.
  4. Hol dir Unterstützung: Wenn du merkst, dass du es nicht allein schaffst, zögere nicht, dir Hilfe zu holen. Oft ist die Situation im Freundeskreis schon verbrannt, und es gibt diese Menschen, die denken, du hast einen Knall, weil du dich immer wieder in dieselbe Beziehungsspirale begibst. Weitere Gespräche könnten hier nicht unbedingt hilfreich sein. Profis, wie Therapeuten oder Coaches, können dir jedoch helfen, aus diesem Kreislauf auszubrechen.
  5. Ziehe Paartherapie in Erwägung: Wenn Gespräche über die Distanz und Nähe in der Beziehung ins Leere laufen, hab den Mut, ein Gespräch bei einem Paartherapeuten in Erwägung zu ziehen. So können mögliche Kommunikationsprobleme aufgedeckt und geklärt werden. Sollte dein Partner sich weigern, daran teilzunehmen, hast du zumindest Klarheit: Entweder hat er kein echtes Interesse an der Beziehung oder er ist emotional so weit entfernt, dass er nicht daran glaubt, seine Probleme lösen zu können. In diesem Fall ist es Zeit, loszulassen. Es kann aber auch sein, dass dein Partner durch die Therapie erkennt, dass er Unterstützung braucht, um mit der Bindung in der Beziehung zurechtzukommen, und sich selbst auf den Weg in eine Einzeltherapie begibt. Das ist ein wunderbarer Schritt. Ein liebevoller Partner wird den anderen auf diesem Weg begleiten, und diese Klarheit kann oft den entscheidenden Fortschritt bringen.

Fazit:

Eine Beziehung mit einem Knallfrosch hat enormes Suchtpotenzial – das ständige Auf und Ab kann uns glauben lassen, dass diese Intensität Liebe ist. Doch der wahre Schlüssel liegt darin, zu erkennen, dass diese Dynamik nur auf der Illusion von Potenzial beruht, und nicht auf einer echten, tragfähigen Verbindung. Es ist wichtig, sich klarzumachen, warum du nicht loslassen kannst: Ist es wirklich Liebe oder eher die Hoffnung, dass du den anderen „retten“ oder verändern kannst?

Appelliere an dich selbst, die Realität zu sehen: Ein Partner, der sich ständig entzieht und dir das Gefühl gibt, nicht genug zu sein, wird wahrscheinlich nicht auf einmal „der Richtige“ sein. Die Aufgabe besteht darin, dich selbst zu fragen, was du wirklich brauchst – und ob diese Beziehung dir das jemals geben kann. Wenn du erkennst, dass du festhältst, weil du an ein Ideal glaubst, das so nicht existiert, kannst du dich aus diesem toxischen Kreislauf befreien.

Echte Liebe entsteht nicht durch Flucht und Zurückweisung, sondern durch Verlässlichkeit und gegenseitiges Vertrauen. Indem du die Realität annimmst und loslässt, schaffst du Raum für Beziehungen, die dich wirklich nähren und dir das geben, was du verdient hast.

Jein!: Bindungsängste erkennen und bewältigen. Hilfe für Betroffene und deren Partner

Ressource: Stefanie Stahl