Der Angst in die Augen schauen – Was wir von Viktor Frankl lernen können
Stell dir vor, du befindest dich in einer der dunkelsten Zeiten deines Lebens, in einem Moment, in dem alles hoffnungslos erscheint. Wie reagierst du? Für die meisten von uns ist es natürlich, Angst zu empfinden und sich überwältigt zu fühlen. Doch Viktor Frankl, ein österreichischer Neurologe, Psychiater und Überlebender des Holocausts, zeigt uns, dass wir auch in den dunkelsten Momenten Mut finden können. Er lehrt uns, dass es möglich ist, der Angst in die Augen zu schauen und eine innere Stärke zu entwickeln.
Der Sinn des Lebens als Schlüssel
Frankl entwickelte die Logotherapie, eine Methode, um mit Angst und Leid umzugehen, indem man einen tieferen Sinn im Leben findet. Was er dabei erkannte, ist einfach und gleichzeitig tiefgreifend: Es sind nicht die äußeren Umstände, die uns verzweifeln lassen, sondern die Bedeutung, die wir ihnen zuschreiben. Selbst in den schrecklichen Zeiten der Konzentrationslager, in denen er sich befand, stellte Frankl fest, dass Menschen, die einen tieferen Sinn im Leben sahen und ihre Ziele verfolgten (erträumten), innerlich stärker blieben.
Was bedeutet das für uns? Es zeigt, dass wir die Macht haben, die Bedeutung von Dingen zu verändern. Die Umstände mögen hart sein, aber wir können unsere Einstellung zur Situation wählen.
Viktor Frankl sagt:“Wir haben immer die Freiheit, unsere Reaktion zu bestimmen.„
Die letzte menschliche Freiheit
Frankl nannte diese Freiheit die „letzte menschliche Freiheit“ – die Fähigkeit, selbst in den schlimmsten Situationen zu entscheiden, wie wir reagieren. Während andere vielleicht das Überleben als das oberste Ziel betrachteten, sah Frankl das Überleben als eine Chance, innerlich zu wachsen. Er entschied sich, dem Leiden einen Sinn zu geben, anstatt sich von Angst und Verzweiflung überwältigen zu lassen.
Was können wir daraus lernen? Egal, wie hart die Umstände sind, wir haben die Kontrolle über unsere Einstellung. Wir können uns entscheiden, uns nicht von der Angst besiegen zu lassen, sondern sie als Gelegenheit zu sehen, zu wachsen und stärker zu werden.
Die paradoxe Intention: Angst überwinden
Ein wesentlicher Teil der Logotherapie ist die sogenannte „paradoxe Intention“. Was bedeutet das? Ganz einfach: Frankl lehrte, dass wir die Kontrolle über unsere Angst zurückgewinnen können, indem wir genau das tun, wovor wir Angst haben. Hast du Angst vor dem Zittern in einer wichtigen Situation? Dann versuch doch mal absichtlich zu zittern! Diese Methode nimmt der Angst ihren Schrecken, weil du die Kontrolle über die Situation zurückgewinnst. Es ist fast so, als würdest du der Angst ins Gesicht lachen – und ja, das funktioniert erstaunlich gut!
Der Gedanke dahinter ist klar: Wenn wir uns unseren Ängsten direkt stellen, verlieren sie ihre Macht über uns. Angst wird oft größer, je mehr wir vor ihr fliehen. Wenn wir aber der Angst bewusst entgegengehen, stellen wir fest, dass sie nicht so bedrohlich ist, wie wir es uns vorgestellt haben.
Sinn im Leiden finden
Frankl erkannte, dass es die Menschen sind, die einen Grund zum Überleben haben – sei es, um eine geliebte Person wiederzusehen oder eine wichtige Aufgabe zu erfüllen – die die besten Chancen haben, schwierige Zeiten zu überstehen. Für Frankl selbst war es der Gedanke, sein Werk über den Sinn des Lebens zu vollenden, der ihm die Kraft gab, weiterzumachen.
Während er Hunger, Entbehrungen und Todesangst erlebte, hielt er an seiner inneren Freiheit fest. Ihm wurde klar, dass man uns zwar vieles nehmen kann – Nahrung, Familie, Freiheit – aber nie unsere Fähigkeit, unsere Einstellung zu wählen. Für Frankl war das Leiden eine Chance, seine Menschlichkeit zu bewahren und aus der Suche nach Sinn Kraft zu schöpfen.
Liebe und Hoffnung
Ein besonders berührender Aspekt von Frankls Überleben war seine Vorstellung von Liebe. Während seiner Gefangenschaft hielt er sich oft an der Erinnerung an seine Frau fest, die er sehr liebte, obwohl sie im Lager starb. Für Frankl war Liebe die höchste Form menschlichen Seins, und diese Liebe gab ihm die Kraft, selbst in den dunkelsten Momenten durchzuhalten.
Die Entscheidung für die Zukunft
Nach dem Holocaust entschied sich Frankl bewusst, seine Energie nicht in Hass zu investieren, sondern in seine Zukunft. Diese bewusste Entscheidung half ihm, ein bedeutendes Werk zu schaffen, das bis heute vielen Menschen dabei hilft, ihre Ängste zu überwinden und Sinn im Leben zu finden.
Ein berühmtes Zitat von Frankl lautet:
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“
Wenn wir lernen, diesen Raum zu nutzen, gewinnen wir Kontrolle über unser Leben. Wir lernen, dass es nicht darum geht, den äußeren Umständen zu entkommen, sondern unsere innere Haltung zu wählen.
Fazit: Der Angst ins Gesicht sehen
Viktor Frankl zeigt uns eindrucksvoll, dass es möglich ist, der Angst in die Augen zu schauen und darin eine Gelegenheit zum Wachstum zu finden. Durch seine Philosophie der Logotherapie ermutigt er uns, in den schlimmsten Momenten unseres Lebens nicht aufzugeben, sondern den Sinn zu suchen und unsere innere Freiheit zu bewahren. Wenn wir uns der Angst stellen, können wir gestärkt aus jeder Herausforderung hervorgehen.
… trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslage