Der Brüller hat NOT
Menschen, die schreien, befinden sich häufig in einem Zustand intensiver emotionaler Überwältigung. Schreien kann verschiedene innere Zustände widerspiegeln. Oftmals steckt dahinter das Gefühl, in einer Situation keine Kontrolle zu haben, oder das Bedürfnis, sich Gehör zu verschaffen, weil man glaubt, nicht verstanden zu werden.
Wenn jemand schreit, ist das oft auch ein Ausdruck von Hilflosigkeit, Frustration oder auch aufgestauten Emotionen, die keinen anderen Weg mehr finden. Die Person fühlt sich vielleicht selbst überfordert, übergangen oder bedroht – und das Schreien wird zur impulsiven Reaktion, um diesen Druck abzulassen. Schreien signalisiert oft, dass die betroffene Person Schwierigkeiten hat, ihre Emotionen auf andere Weise zu regulieren oder auszudrücken.
Es kann eine Reaktion auf das Gefühl sein, nicht verstanden zu werden. Wichtig ist, dass Schreien nicht per se negativ bewertet wird, sondern als Hinweis auf tieferliegende emotionale Prozesse und unbewältigte Konflikte betrachtet wird. Ein lösungsorientierter Ansatz würde darauf abzielen, die zugrunde liegenden Emotionen zu identifizieren und alternative, „gesündere“ Ausdrucksformen zu entwickeln. Hierbei ist es entscheidend, dem Betroffenen einen Raum zu bieten, in dem er sich sicher fühlt und seine Emotionen ohne Urteil erkunden kann. Langfristig soll dies zu einer besseren Selbstregulation führen, sodass der Mensch lernt, seine Emotionen differenzierter und in einem konstruktiven Dialog auszudrücken.
In der akuten Situation kann der Mensch sich mächtig fühlen, weil er durch das Schreien kurzfristig Dominanz und „Kontrolle“ zurückgewinnt. Gleichzeitig gibt es oft danach ein Gefühl von Reue oder Scham, da das Schreien keine konstruktive Art ist, mit den eigenen Gefühlen umzugehen oder Probleme zu lösen. Das Schreien führt zu Distanz/Kontaktabbruch zu den Anwesenden, was auch wieder ein Problem im Miteinander mit sich bringt, aber auch als erleichternd empfunden werden kann, um nicht zu spüren.
Manche Menschen berichten in der Sitzung, dass sie sich im Moment des Schreiens isoliert und unverstanden fühlen, weil sie sich so weit von einem ruhigen, lösungsorientierten Dialog entfernt haben.
Langfristig entsteht durch häufiges Schreien oft ein Kreislauf negativer Gefühle: Die Person schreit, um Erleichterung oder Kontrolle zu finden, erlebt aber letztlich immer wieder Frust und Schuld, weil die eigentlichen Probleme nicht gelöst werden. In der Therapie geht es dann darum, diesen Mechanismus zu durchbrechen und Wege zu finden, wie die Person ihre Emotionen anders und nachhaltiger ausdrücken kann – ohne dabei sich selbst oder andere zu verletzen bzw. aus dem Kontakt zu gehen.
Es kann aber sein, dass es durch einen „Trigger“ dazu kommen, dass jemand in Sekunden unsere Fassung verlieren und schreit. Rational ist es nicht logisch, aber der Impuls (Trigger) ist so stark, dass kognitiv die Situation nicht gesteuert werden kann.
Trigger sind wie kleine emotionale Stolpersteine, die plötzlich auf dem Weg liegen. Man hat einen ganz normalen Tag, und auf einmal passiert oder sieht man etwas, das eine starke, unangenehme Reaktion auslöst. Das passiert in der Sekunde, ganz unbewusst und man versteht im ersten Moment gar nicht, warum man plötzlich so heftig reagiert. Das können Worte, Gerüche, Geräusche oder auch bestimmte Situationen sein. Diese Auslöser erinnern das Gehirn und unseren Körper1, meist unbewusst, an frühere negative Erlebnisse, die vielleicht noch nicht ganz verarbeitet sind.
Trigger sind quasi Überreste alter Wunden. Sie weisen darauf hin, dass da noch etwas in uns steckt, das Aufmerksamkeit braucht. Es ist so, als ob unser emotionales System kurz überfordert wird und in eine Art „Notfallmodus“ schaltet. Manchmal reicht ein einziger Satz, ein bestimmter Tonfall oder ein vertrauter Geruch, um alte Gefühle wieder hochzuholen, die längst vergessen schienen.
Um die Trigger zu erkennen ist es wichtig zu verstehen, was sie auslöst. Der nächste Schritt ist dann, Strategien zu entwickeln, um besser mit diesen Situationen umzugehen, anstatt jedes Mal aus der Bahn geworfen zu werden. So lernt man nach und nach, weniger heftig auf Trigger zu reagieren.
- Trauma wirkt sich sowohl auf den Kopf (also die Psyche und das Gehirn) als auch auf den Körper aus. Aus therapeutischer Sicht spricht man oft davon, dass Trauma „im Körper gespeichert“ wird, was auf die komplexe Wechselwirkung zwischen Geist und Körper hinweist.
Im Kopf: Traumatische Erlebnisse beeinflussen das Gehirn und die Psyche tiefgreifend. Sie können in bestimmten Gehirnregionen wie dem limbischen System, das für Emotionen und Erinnerungen zuständig ist, „eingebrannt“ werden. Besonders die Amygdala (zuständig für die Verarbeitung von Angst) und der Hippocampus (zuständig für Gedächtnis und räumliche Orientierung) sind betroffen. Dies führt dazu, dass traumatische Erlebnisse oft unbewusst immer wieder durch Trigger hochkommen, auch wenn man sich rational der Gefahr gar nicht bewusst ist. In diesen Momenten kann das Gehirn in einen ständigen „Kampf-oder-Flucht“-Modus schalten.
Im Körper: Trauma kann sich auch in den Körperzellen festsetzen, was oft als „Körpereinprägung“ bezeichnet wird. Der Körper speichert die emotionale Erinnerung an das Trauma, was sich durch körperliche Symptome wie Anspannung, Zittern, Schmerzen oder Erschöpfung äußern kann.
Traumatherapeuten wie Peter Levine (Somatic Experiencing) oder Bessel van der Kolk („The Body Keeps the Score“) sprechen davon, dass der Körper, besonders durch Verspannungen oder chronischen Stress, das Trauma buchstäblich „hält“. Das Nervensystem, insbesondere das autonome Nervensystem, reagiert sensibel auf Reize, die mit dem Trauma in Verbindung stehen. Menschen berichten oft, dass sie in bestimmten Situationen physisch reagieren, bevor sie überhaupt bewusst verstehen, was passiert.
Die Therapie zielt häufig darauf ab, sowohl den Kopf als auch den Körper in den Heilungsprozess einzubeziehen. Methoden wie EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), NARM, körperorientierte Ansätze wie Yoga, Atemarbeit oder Somatic Experiencing helfen, diese gespeicherten Reaktionen aufzulösen und das Nervensystem zu beruhigen. ↩︎
Fazit: Schreien ist oft ein Ausdruck emotionaler Überforderung, Hilflosigkeit oder Frustration. Es signalisiert unbewältigte Konflikte und Schwierigkeiten in der Selbstregulation. Obwohl es kurzfristig Dominanz suggerieren kann, führt es langfristig zu negativen Emotionen wie Schuld und Scham. Beim Coaching oder in der Therapie geht es darum, diese Muster zu erkennen und gesündere Ausdrucksformen zu entwickeln. Trigger spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie unerwartet emotionale Reaktionen auslösen. Durch die Identifikation und das Verständnis von Triggern können Strategien entwickelt werden, um ruhiger und bewusster zu reagieren.